von Sabine
Freitag, 24.09.2010
Schon vergangen Freitag begannen wir uns mit dem Thema "Deutsche Exilanten in Los Angeles" zu beschäftigen. Dazu besuchten wir die
Feuchtwanger Memorial Library der
University of Southern California (USC). Der deutsche Schriftsteller (
Jud Süß) und Historiker
Lion Feuchtwanger war einer der größten intellektuellen Feinde des Nazi-Regimes (in der DDR wurde er daher sehr geschätzt und erhielt 1953 den Natinalpreis der DDR). Er floh zuerst nach Südfrankreich wo er jedoch im Lager Les Milles interniert wurde. Mit Hilfe von Freunden und einem angestellten des Amerikanischen Konsulats konnte er fliehen und setze nach Amerika über. Ab 1941 lebte er in Kalifornien, wo er sich zusammen mit seiner Frau Marta ab 1943 in einem Haus in Pacific Palisades bei Los Angeles niederließ. Dort lebte er bis zu seinem Tod 1958.
Seine Frau vermachte das Anwesen und den gesamten Nachlass der USC, lebte aber noch 30 Jahre in dem Haus. Die USC konnte das mittlerweile recht heruntergekommeneVilla nicht halten und verkaufte es. Von dem Erlös richtete die Universität die Gedenkbibliothek auf dem Campus ein, in der nun 2/3 der Privatbibliothek Feuchtwangers zugänglich ist. Zudem Fotos, Tagebücher, Zeitungsausschnitte, Adressbücher...usw. aus seinem Nachlass.
Besonders die Adressbücher mit Adressen von Bertold Brecht u.a. und das Buch zu Feuchtwangers 60. Geburtstag mit Glückwünschen von den Manns, Alfred Döblin, Horkheimer, Albert Einstein, George Grosz, Hanns Eisler und vielen anderen beeindruckten uns während der Führung durch die kleine aber feine Bibliothek. Wie muss diese Zeit als
Enemy Alien in Los Angeles gewesen sein, als alle großen Köpfe hierher geflohen waren und sich zu Lesungen mit Charly Chaplin bei den Feuchtwangers trafen? Jeder von uns hätte gerne eine kurze Zeitreise unternommen, um wenigstens einem dieser Gespräche zu lauschen...
Das konnten wir nun aber leider nicht. Dafür wurde es uns erlaubt in dem Geburstagsbuch und in einer Ausgabe der Nürnberger Chronik von 1493 zu blättern - ohne Handschuhe! Als angehende Historiker waren wir geschockt...
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Feuchtwangers Tagebuch aus Frankreich; Adressbuch |
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Feuchtwangers Geburtstagsbuch - Eintrag Grosz |
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Feuchtwangers Geburtstagsbuch - Eintrag Mann |
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Feuchtwangers Adressbuch aus Los Angeles mit Einträgen zu Brecht und Mann |
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Feuchtwangers a.k.a. Wetcheks Passierschein nach Amerika |
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Jochen in die Chronik versunken |
Montag, 27.09.2010
Heute nun, am heißesten Tag seit den Aufzeichnungen der LA Times, besuchten wir das ehemalige Wohnhaus Lion Feuchtwangers in Pacific Palisades, die
Villa Aurora. Als die USC das Haus nicht renovieren konnte schlossen sich einige Feuchtwanger-Freunde in Deutschland zum „Kreis der Freunde und Förderer der Villa Aurora e.V." zusammen, deren Sitz heute in Berlin ist. Sie renovierten das baufällige Gebäude und verwandelten es wieder in eine Künstlerresidenz. Künstler aus allen Bereichen können mit einem Stipendium einige Monate hier arbeiten und die Aussicht auf den Pazific genießen. Weil die Villa einst das Haus eines Exilanten war, wird nun zudem einmal im Jahr einem in seiner Heimat politisch verfolgten Künstler für 9 Monate hier Unterschlupf und Arbeitsplatz gewährt. Ach ja, es gibt auch jeweils 2 PraktikantInnen, die auch in der Villa wohnen können!
Wir erhielten eine Führung durch die Villa und wurden neidisch auf die dort arbeitenden Künstler. Das Haus wurde Ende der 20er Jahre im spanischen Stil erbaut und ist mit den hübschen Möbeln, die Marta Feuchtwanger von Freunden oder vom Sperrmüll heranschaffte, weil sie nach dem Kauf des Hauses für 9000 Dollar kein Geld mehr übrig hatten, den bunten, handbemalten Fließen in Küche und Bad und natürlich dem herrlichen Ausblick wirklich ein wunderbarer Ort zum Leben und Arbeiten. Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal eine Ausstellung zusammen mit der Villa Aurora erarbeiten...
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Die Villa Aurora |
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Der Salon |
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Die Küche |
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Bücher im Arbeitszimmer |
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Der Ausblick auf den Pazifik und Santa Monica |
Es freut mich, dass Ihr den Besuch in der Feuchtwanger Memorial Library genossen habt. Eine Zeitreise wuerde auch ich gerne einmal unternehmen und mich in einer der "Exilanten-Salons" versetzen. Na, zumindest kann man dies annaehernd tun, indem man mit den Materialien aus Feuchtwangers Nachlass arbeitet...
AntwortenLöschenPS: Ich hoffe, Ihr seid ueber den Schock hinweg gekommen, dass man bei uns in der Nuremberg Chronic ohne Handschuhe blaettern darf. Erfahrungen zeigen, dass es wesentlich sicherer ist, delikate Materialien mit blossen (sauberen!!!) Haenden zu benutzen als mit Handschuhen. Handschuhe haben unserer Meinung nach den Nachteil, dass man damit nicht gut greifen kann und die Materialien eher beschaedigt als schuetzt. Ausserdem wird duch die Benutzung von Handschuhen das wichtige Erlebnis des Fuehlens des Materials extrem eingeschraenkt.
Herzliche Gruesse,
Michaela Ullmann
Exile Studies Librarian, USC