Mittwoch, 15. Juni 2011

The Past is a Foreign Country





Lang, lang ist‘s her, dass wir uns hier das letzte Mal zu unserer Reise geäußert haben. Seither ist natürlich viel passiert: Unser Ausstellungsprojekt steht kurz vor dem Gang in die Weiten des Internets und ist damit für alle einsehbar und frei für Anmerkungen, Kritik und Diskussionen. Doch wie wir ein bisschen verschämt feststellen mussten, haben wir es während der Reise tunlichst vermieden überhaupt irgendetwas zu unserem Projekt, der Idee dazu und den Werdegang zu schreiben. Das sei hiermit in mehreren Teilen nachgeholt. Besser spät als nie.

Natürlich begann das Projekt nicht mit der Reise nach Los Angeles, sondern hatte eine ziemlich lange Vorlaufzeit. Begonnen hat alles im Sommersemester 2009, als wir Leonard Schmiedings Seminar „Geschichte im Museum“ an der Uni Leipzig besuchten. Dort trafen wir zum ersten Mal aufeinander und beschäftigten uns mit dem Museum als Ort des Ausstellens, Bewahrens und Sammelns. Inhaltlich erstreckte sich das Seminar von Theorien der Kulturgeschichte und des Darstellens über die Geschichte des Museums bis zu didaktischen Überlegungen und transnationalen, postmodernen und popkulturellen Aspekten des Ausstellens. Den Abschluss bildete eine Exkursion ins Schlesische Museum zu Görlitz, wo wir einen so genannten Sommerstecken als Semiophore erhielten, zu dem wir als Gruppenprojekt einen Inszenierungsvorschlag erarbeiteten. Der Fokus lag zum einen bei den Prozessen der Erinnerung sowie deren Konstruktionscharakter und zum anderen auf den Möglichkeiten des konstruktivistischen Museums [1] und Überlegungen Walter Benjamins zum Begriff der Aura [2] und des Schock-Effekts.

Im Laufe des Semesters hielt Justinian Jampol, der Leiter des Wende Museums and Archive for the Cold War, einen Vortrag über seine Institution und erwähnte die Möglichkeit ein Praktikum in Los Angeles absolvieren zu können. Nach dem Ende des Semesters und der erfolgreichen Zusammenarbeit in unserer Projektgruppe beschlossen wir, das Angebot wahrzunehmen und begannen mit den Planungen für einen Workshop, an dem auch amerikanische Studierende teilnehmen sollten. Längere Verhandlungen und einige Wendungen später konnten wir Elizabeth Drummond von der privaten katholischen Loyola Marymount University dafür gewinnen, eine Gruppe von undergraduate students zusammenzustellen, die mit uns das Projekt durchführen wollten.

Nach gut einem Jahr des Planens, anstrengender Suche nach Geldgebern und intensiver inhaltlicher Vorbereitung – mittlerweile kristallisierte sich die „Sozialistische Stadt“ als thematischer Kern heraus – konnten wir am 5. September 2010 die Taschen packen und an die kalifornische Westküste fliegen.

Für gewöhnlich gestaltete sich die Zeit in Los Angeles wie folgt: Zweimal in der Woche trafen wir uns mit den amerikanischen Studierenden und sprachen sowohl über theoretische als auch inhaltliche Punkte des Projekts. Im Gegensatz zu uns mussten die Studierenden der LMU noch weitere Studienleistungen erbringen, was neben der Sprachbarriere sowie den großen Unterschieden im Wissen um DDR-Geschichte, Museum und Theorien der Darstellung die Zusammenarbeit etwas erschwerte. Ziel war es, dass die Online-Ausstellung von fünf Teams mit je einem deutschen und einem amerikanischen Studierenden erarbeitet wird. In der Realität war das Arbeitspensum etwas ungleich verteilt. Wir konnten uns auch in der restlichen Woche inhaltlich mit dem Projekt beschäftigen, während sich die amerikanischen Studierenden erst einmal das nötige Hintergrundwissen aneignen mussten (z.T. vermittelt durch Referate unsererseits) und nur wenige Stunden in der Woche für Texte lesen und schreiben zur Verfügung hatten.

Die restliche Zeit war in den ersten beiden Wochen vor allem mit weiteren theoretischen und vorbereitenden Recherchen z.B. im Getty Research Centre gefüllt. In der zweiten Hälfte unseres Aufenthalts arbeiteten wir an der inhaltlichen Konzeption der Ausstellung, suchten nach geeigneten Objekten und begannen Texte zu formulieren. Mindestens ein Tag in der Woche war für eine Exkursion reserviert. Doch davon berichten die bisherigen Einträge des Blogs schon ausführlich.
Begleitet wurde das Projekt während der ganzen Zeit von Cristina Cuevas-Wolf, Manager of Collection Development am Wende Museum. Sie hatte die – sicherlich nicht immer ganz einfache – Rolle zwischen den Interessen ihres Arbeitgebers und den Vorstellungen unsererseits zu vermitteln. Erst die offenen und zum Teil sehr kontrovers geführten Diskussionen haben das Ausstellungsprojekt sein künftiges Gesicht verliehen.

Im nächsten Post werden wir näher auf die inhaltliche und konzeptionelle Idee unseres Projektes eingehen.

Fußnoten
[1] Leppenies, Anette: Wissen vermitteln im Museum, Köln/ Böhlau 2003, S. 55-86.
[2] Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2007, S. 15 ff.