Montag, 20. September 2010

Fahrradfahren in Los Angeles

von Leo


Los Angeles ist groß, riesengroß, per Fahrrad eigentlich nicht zu bewältigen. Und doch hat es mich gereizt, wie es so ist, sich in einer Stadt, die hundertprozentige Mobilität erfordert, entschleunigt mit dem Drahtesel fortzubewegen. Justin, mein Gastgeber und Mitbewohner in Culver City, gleichzeitig auch Gründer und Direktor des Wende Museums, hat mir ein Mountainbike geliehen, inklusive Helm (überlebenswichtig) und Schloss. Nach ein paar kleineren Reparaturmaßnahmen und einem pit stop beim Fahrradladen für eine angemessene Beleuchtung des Nachts konnte es dann losgehen.

Ich will auch so ein Schild!



















Die erste Tour sollte mich zum Getty Center führen. Das thront im Nordwesten der Stadt auf einem Hügel in Bel Air und ist am besten über den Freeway 405 zu erreichen. Nicht so per Fahrrad. Die Freeways und Highways sind tabu. Google Maps mit seinem Feature "bike routes" hat aber einen ganz angemessenen Weg ausgespuckt, der mich über Boulevards und Avenues, sprich große, dicht befahrene Straßen aber auch weniger frequentierte Wege durch Wohngebiete führen sollte. Der Vorteil an Boulevards wie Venice, Santa Monica oder auch Westwood ist, dass sie "bike lanes" haben, die deutlich breiter sind als deutsche Fahrradwege und - was ich auch schon fast als eine Art Gleichberechtigung empfand - ich direkt neben den Autos fahren durfte, also nicht auf den Gehweg verbannt wurde, wie so oft in Deutschland, wo man dann leider für gewöhnlich von den Autos übersehen wird. Das Maß an Rücksichtnahme der südkalifornischen KraftfahrzeugführerInnen ist hoch, findet jedoch auch seine Grenzen: wehe, man befindet sich auf einer vielbefahrenen Straße ohne Fahrradweg - dicht, dichter, am dichtetesten brausen die Trucks an einem vorbei. Beängstigend. Wehe, man will links abbiegen, also mindestens drei Spuren wechseln - von hinten rollt die Blechlawine und lässt einen nicht durch. Blechlawine, das sind gefühlte 1.000 Autos pro Minute von rechts, links, hinten und vorne. Und wenn man es dann doch auf die Linkssabbiegerspur geschafft hat, dann nur, weil von hinten nix kam. Dann hat man aber auch meistens Pech, denn die Induktionsschleifen für die Anforderrung der Linksabbiegerspur bei der Ampel scheinen nur auf eine größere Masse zu reagieren. Jedenfalls ist das meine Vermutung, als ich heute Abend (da war nicht so viel los) an der Kreuzung Culver/Overland gezählte (ich übertreibe nicht) vier Ampelphasen warten musste, bis ich dann mal links abbiegen durfte. Und das auch nur, weil die von hinten anrückenden Autos die Anforderung auslösten.

Beim Getty war ich stehengeblieben. Eine schöne Strecke, über den UCLA Campus, ein wenig 'wellig' wie der untertreibende Rennradfahrer sagen würde (mit dem dickmanteligen Mountainbike also steil bergauf und nur ein wenig bergab), aber ruhig. Dann der Schock, die Sepulveda Ave, ohne Fahrradstreifen, dafür aber umso dicht befahrener. Für den Rückweg im Dunkeln hab ich mir schon einmal alle meine Stoßgebete zusammengesucht, an die ich mich irgendwie erinnern konnte. Der Blick von oben auf die Stadt, die aufziehenden Wolken vom Pazifik in der untergehenden, glutroten Sonne haben für alles entschädigt, die Ausstellung "Engaged Observers" im Getty ebenfalls, und das Konzert von Aloe Blacc machte die Aussicht auf einen gefährlichen nach Hauseweg vergessen. Gut gelaunt sattelte ich auf und siehe da, Sepulveda Ave war leer, nicht ein einziges Auto hat mich überholt. Seltsam. Und schnell war ich zu Hause, ging ja auch bergab diesmal, schneller als Google Maps mir sagte dass es dauern würde, ja, sogar schneller als manch ein Auto, das ich an jeder roten Ampel einholen sollte.

Mein Fahrrad am LACMA



















In Nord-Süd Richtung kommt man schneller voran, oft fast im gleichen Tempo wie die Autos, die ja die Straßen eigentlich nur verstopfen. Die Navigation ist recht einfach, und West Los Angeles zu erkunden habe ich schon angefangen: Getty Center, LACMA, Venice Beach. Ein paar weitere nette Ziele denke ich mir noch aus. Vom muskelbetriebenen Zweirad aus bekomme ich auch viel mehr von der Stadt mit, und hier gibt's tolle Ecken mit echt eindrucksvollen Häusern, Gärten und Architekturen.

Politisierte Pedalisten habe ich auch schon einige kennengelernt. Critical Mass ist vor allem Down Town, mit über 1.000 Cyclisten, in Culver City weder critical noch mass, wie es hieß. Der Mob Down Town bekommt dafür zusätzlich zur Motorradeskorte eine Hubschraubereskorte, nice, eh? Ich finde, die sollten auch mal gegen den Smog demonstrieren, denn den spüre ich beim Fahren echt in der Lunge, total der Unterschied zu Leipzig.

Bei Gelegenheit kommen auch mehr Fotos vom Fahrrad auf der Straße, momentan muss ich mich eher auf das Fahren in der rollenden Blechlawine konzentrieren.

1 Kommentar:

  1. Am unangehmensten ist der SMOG, der unglaubliche Staub. Wenn man hier länger wohnen würde, wäre eine Gasmaske die perfekte Ergänzung zum Helm.
    Dazu noch den Beachcruiser gegen ein racing bike tauschen. Sonst gehts gar net vorran...

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